"Fleur's blaue Glocke"

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Donnerstag, 21. April 2011, 21:56

 

"Fleur's blaue Glocke"

"Ich verstehe den Meister nicht mehr."
Hinter der Mühle hörte ich zwei Jungen sprechen. Sie trugen weiße Arbeitskleidung beschmiert mit Ruß, aus den Mündern ihrer jungen Gesichter quoll Rauch. Ich schlich mich in ihren Schatten heran, versteckte mich hinter einem Pfosten und lauschte.
"Er hat schon wieder die Frist verpasst."
"Und gestern hat er mir eine gescheuert! Er sagte, der Aschenbecher sei zu voll."
"Wenn er uns nicht schikanieren würde, hätte er nichts zutun."
"Er sagt, dass wir eh nur Zigaretten rauchen."
"Ich verstehe ihn nicht!"
"Du sagst es."

Man hörte Gehämmer. Es heißt, diese Mühle sei von dem fähigen, aber exzentrischen Meister errichtet worden. Dann hatte er zwei Gehilfen eingestellt, um rund um die Uhr Möbel fertigen zu können.
Aber die beiden vertrödeln nur ihren Tag und atmen ununterbrochen weißen Rauch aus.
"Es muss, du weißt schon was, sein."
"Das würde mich nicht überraschen."
"Wollen wir ihn fragen?"
"Du Spinner! Dann kriegst du mehr als einen Satz heiße Ohren! Ich würde nicht mal was sagen, wenn er mich lebendig durch den Hobel zieht!"
"Ach, bei dem kannst du nicht gewinnen."
"Sag ich doch."
Und dann stießen sie weißen Qualm aus.

"Ist das echt schon einen Monat her, seit Fleur weg ist? Ich schätze, sie kommt nicht zurück. Mit dem Barbaren ist sie sicher fertig. Ich vermisse aber, wie sich die Laune des Meisters wendete, wenn ihr einer auf den Mund schaute."

Das war alles, was ich hörte. Ich machte kehrt und ging um die Mauer der Mühle herum. Um meinen Hals hing nun die blaue Glocke.
Das Symbol dieser Mühle. Heute bin ich hier, um des Meisters Fleur zu sein.

Aus dem Fenster drang eine laute Stimme.
"Ich habs dir gesagt! Das gibts doch nicht! Das macht doch keinen Sinn, Idiot!"

Das Geräusch des hingeknallten Hörers wurden vom Schleifer abgelöst. Meine Ohren dröhnten und mein Körper zitterte.
Die Worte "lebendig durch den Schleifer" tanzten in meinem Kopf. Ohne Zweifel würde das höllische Schmerzen bereiten.
Ich stellte es mir vor und schaute die blaue Glocke an.
Ob es mehr schmerzt als der Tod? Da ich beides nicht kannte, wusste ich es nicht, aber sterben schmerzt sicher schlimmer.
Bei dem Gedanken hörte ich auf zu zittern. Fleur musste es schrecklich geschmerzt haben.

"Ich kann das nicht mehr!"
Diesmal kam ein Stück Holz aus dem Fenster geflogen. Die Lage verschlechterte sich.
Ich konnte mein Zittern nicht kontrollieren und die blaue Glocke erklang hell. Der Meister drehte sein braunes Gesicht stirnrunzelnd in meine Richtung.
Ich hatte das Gefühl, als schaue er mit seinen grauen Augen direkt durch mich durch. Ich hatte nicht den schönen Körper Fleurs. Ich hatte Angst, er würde sagen das ich nicht seine liebe Fleur sei und mich auf der Stelle durch den Schleifer ziehen.

Plötzlich hob er seine Hand.
Das innere seiner alten Hand war schwiellg.
Die Haut war wie Rinde.
Ich dachte, er wollte mich schlagen, aber seine Hand umschloss mein Gesicht.
Seine raue starke Hand strich sanft über meinen Kopf.
"Du kleines dünnes Ding."
Seine barsche Stimme war fast wie ein Knurren. Ihr Zittern berührte mein Herz.
Hegte er denn gar keine Zweifel?
Hatte er mich denn nicht angesehen?
Sollte ich ihn wirklich weiter meinen Kopf streicheln lassen?
Ich war sprachlos, als er mich ohne weiteres in seine Arme schloss.
"Jungs, geht rein!" Rief er hinter der Mühle.
"Hört mit dem Gemurre auf und macht euch an die Arbeit! Wenn ich euch nicht die Köpfe pollieren soll, polliert mir neues Holz! Und zwar gleich!"
Obwohl er sie anschrie, leuchteten die Augen der Jungs.
"Die Blume des Meisters ist zurück!" Riefen sie und fuchtelten mit den Händen.

Die blaue Glocke antwortete für mich mit einem Klingeln.
In diesem Moment hatte ich ihren Namen gewonnen.

Ich bin Fleur. Fleur mit der blauen Glocke.
Liebkost vom eigensinnigen Schreiner, bin ich seine Tochter.

 

 

(Fortsetzung folgt...)  

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